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Die Saint-Émilion-Klassifikation von 2022

Nach einigen Turbulenzen im Vorfeld und während der Bewerbung für die neue Klassifikation ist am 8.9.2022 die seit 1955 siebte Saint-Émilion-Klassifikation durch die INAO (L’Institut National de l’Origine et de la Qualité) veröffentlicht worden.

Wie bei den vorherigen Klassifikationen ist auch die aktuelle Klassifikation in zwei Ränge unterteilt: der höchste Rang – die Premiers Grands Crus Classés (PGCC) – umfasst dieses Mal insgesamt 14 Châteaux (18 in der Klassifikation von 2012), zwei davon werden besonders als PGCC A hervorgehoben (4 in der Klassifikation von 2012). Insgesamt 71 Châteaux werden auf dem zweiten Rang als Grands Crus Classés (GCC; 64 in der Klassifikation von 2012) geführt.

Die wichtigsten Veränderungen im Überblick

Nicht mehr vertretene Châteaux (13):

Die nicht mehr in der aktuellen Saint-Émilion-Klassifikation im Vergleich zu der von 2012 vertretenen Châteaux teilen sich in zwei Gruppen auf. Zum einen die Weingüter, die vor oder im Verlauf des Klassifikationsverfahrens ihre Teilnahme absagten oder zurückzogen. Diese Gruppe umfaßt insgesamt sechs Châteaux:

  • Die beiden seit der ersten Klassifikation aus dem Jahr 1955 als PGCC A eingestuften Châteaux Ausone und Cheval Blanc hatten bereits im Frühsommer 2021 ihre Entscheidung verkündet, sich nicht für die neue Klassifikation bewerben zu wollen. Folgerichtig ließen sie die Bewerbungsfrist am 30.6.2021 ohne Einreichung eines Antrags verstreichen. Diese Entscheidung wurde von Vertretern der beiden Châteaux in etwa gleichlautend damit begründet, dass Kriterien wie Terroir, Verkostung und Geschichte im Vergleich zu »sekundären Elementen« wie weintouristische Aktivitäten, soziale Medien etc. ein zu geringes Gewicht einnähmen (zu den Auswahlkriterien siehe den Abschnitt »Die Kriterien« weiter unten im Text). Parallel dazu wurden die Bewerbungen für die beiden 2012 als GCC eingestuften Châteaux La Clotte – im Besitz der Familie Vauthier (Ch. Ausone) – und Quinault L’Enclos, das den Besitzern von Ch. Cheval Blanc gehört, zurückgezogen. (Vgl. hierzu Terre de Vins v. 9.7.2021)
  • Am 1.5.2022 verkündet Stéphanie de Boüard-Rivoal, Präsidentin von Château Angélus und Tochter des Miteigentümers Hubert de Boüard, in einer Pressemeldung, dass das Weingut seine Kandidatur für die neue Klassifikation zurückzieht. Die Begründung für diesen Rückzug nimmt zum einen Bezug auf die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten rund um die beiden Klassifikationen von 2006 und 2012: »Die Klassifizierung von Saint-Émilion, die einst eine Quelle des Fortschritts war, ist zu einem Vehikel für Feindseligkeit und Instabilität geworden. Angelus bedauert diesen schädlichen Kontext, nimmt ihn aber zur Kenntnis und verlässt das System, indem es sich aus der Klassifikation 2022 zurückzieht«. Die oben erwähnten Rechtsstreitigkeiten waren bereits zum Zeitpunkt der Kandidatur von Château Angélus für die neue Klassifikation im Juni 2021 bekannt bzw. wie auch in der Pressemitteilung angemerkt, »immer noch im Gange«. Insofern dürfte ein zweiter Punkt für den Rückzug von Angélus ausschlaggebend gewesen sein. Und der betrifft ein Gerichtsurteil, das Ende Oktober 2021 ergangen ist. Darin wird Hubert de Boüard zu einer Geldstrafe von 60.000 € (20.000 € davon zur Bewährung) verurteilt wegen »illegaler Interessenvertretung« beim Zustandekommen der Saint-Émilion-Klassifikation von 2012. Das Gericht verwies auf seine »mehrfache Beteiligung an allen Phasen des Verfahrens, die zur Erstellung der Klassifizierung und ihrer Regelung« führte. Boüard war sowohl Mitglied des Weinkomitees der INAO, der Instanz, die die Klassifizierung steuerte und bestätigte, als auch Vorsitzender der Sektion »Saint-Émilion Grand Cru« der »L’ODG des vins de Saint-Émilion« (Organisation zur Verteidigung und Verwaltung der Appellation), die bei der Ausarbeitung der Klassifizierungskritierien der INAO maßgeblich beteiligt war. Gleichzeitig war er nicht nur Miteigentümer von Château Angélus, das zum PGCC A befördert wurde, sondern auch Anteilsbesitzer von Château Bellevue, das in die Klassifikation aufgenommen wurde, und Berater von sieben weiteren Weingütern, die in das Klassifizierungsverfahren involviert waren. Hubert de Boüard verzichtete darauf, gegen das Urteil in Berufung zu gehen, wie die Zeitung SudOuest am 6.11.2021 berichtete.
  • Mit Château La Gaffeliére zog sich Ende Mai 2022 ein weiteres »Schwergewicht« der Châteaux-Elite von Saint-Émilion nach dem Erhalt eines Zwischenberichts aus dem Klassifizierungsverfahren zurück (vgl. Terre de Vins v. 1.6.2022). Als Begründung führte Alexandre de Malet Roquefort, Sprecher der Familie, in deren Besitz sich das Château seit über 300 Jahren befindet, zum einen an, dass die Klassifizierungskommission die Qualität des Terroirs ausdrücklich in Frage gestellt habe, obwohl es sich seit Jahrhunderten nicht verändert habe (bis auf 60 Ar, die zur Weißweinproduktion verwendet werden) und ansonsten identisch sei mit dem bei der letzten Klassifikation von 2012. Zum anderen äußert er Zweifel an der Verkostungskompetenz der Jury: »Was die Verkostung betrifft, so war sie voller Absurditäten! Man wurde von auf nicht nachvollziehbare Weise rekrutierten Amateuren beurteilt, die einen Jahrgang wie 2013 besser bewerteten als 2018 oder 2019. Das ist zu viel.“
    Im übrigen verabschiedete sich ein weiteres Weingut, Château Croque Michotte, das allerdings in der Klassifikation von 2012 nicht vertreten war, mit Verweis auf die vermeintliche degustatorische Inkompetenz der Jury aus dem laufenden Klassifizierungsverfahren (vgl. SudOuest v. 11.6.2022, S. 16).

Eine weitere, unwesentlich größere Gruppe betrifft Châteaux, die von anderen Châteaux aufgekauft und in deren Rebfläche integriert bzw. umbenannt wurden.

Neu hinzugekommene Châteaux (15):

Erneut aufgenommen (1):

Château Corbin Michotte

Aufstufung (1)

Château Figeac wurde in den Rang eines Premier Grand Cru Classé A heraufgestuft.

Anmerkungen zu den beiden Tabellen

Neben dem nationalen und internationalen Ansehen, den Werbemaßnahmen, den weintouristischen Aktivitäten, der Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit und den Vertriebsmethoden (20%), der Güte des Terroirs (20%), den Techniken der Weinherstellung und des Weinanbaus sowie der Alterungsfähigkeit der Weine (10%) spielte das Ergebnis der Blindverkostung mit einer Gewichtung von 50% eine wesentliche Rolle für die Klassifizierung der Châteaux. Hierbei wurden für die Premiers Grands Crus Classés 15 Jahrgänge (2005-2019), für die Grands Crus Classés 10 Jahrgänge (2010-2019) berücksichtigt.

In den beiden nachfolgenden Tabellen werden für die einzelnen Châteaux das arithmetische Mittel bzw. der Median aus den im Bordeaux-Kompass ermittelten Jahrgangsdurchschnittsbewertungen für die jeweiligen Zeiträume (PGCC: 2005-2019; GCC: 2010-2019) angezeigt. Diese Zahlenwerte lassen sich nur bedingt mit den Ergebnissen der Blindverkostung durch die für die Klassifikation zuständigen Jury vergleichen, von denen wir keine Kenntnis haben und die nur mit 50% in das Gesamtergebnis eingehen. Für sich genommen bieten sie jedoch interessante Anhaltspunkte für die Einstufung der verschiedenen Châteaux unter dem Gesichtspunkt einer zusammenfassenden Bewertung für die genannten Zeiträume.

Hinweis: Die Spalten der Tabellen sind auf- bzw. abwärts sortierbar. Klicken/Tippen Sie hierzu in den betreffenden Spaltentitel. Der Link in der ersten Spalte verweist auf das jeweilige Château im Bordeaux-Kompass..

Premiers Grands Crus Classés (14)

Grands Crus Classés (71)


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