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RVF wechselt das Bewertungssystem

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Das neue Bewertungssystem der Revue du Vin de France

In seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 645, S. 3 – 11/2020) gibt das renommierte französische Weinmagazin Revue du Vin de France (RVF) einen Wechsel seines für die Beurteilung von Weinen benutzten Bewertungssystems bekannt (s. auch den Beitrag auf der RVF-Website).

Die Begründung

Das bislang benutzte 20-Punkte-System wird ersetzt durch das 100-Punkte-System. Begründet wird der Wechsel mit der mittlerweile weltweiten Dominanz des 100-Punkte-Systems.

De Tokyo à Londres en passant par Moscou et Johannesburg, partout les vins sont jugés sur 100.

Von Tokio bis London, über Moskau und Johannesburg, überall werden Weine im 100-Punkte-System beurteilt.

Darüber hinaus wird mit dem Wechsel des Bewertungssystems die Hoffnung verbunden, in einer globalisierten Weinwelt neue Horizonte zu eröffnen und den Einfluss der RVF zu stärken.

Ce changement ouvre de nouveaux horizons. Car la mondialisation n’est plus un mirage, elle est une réalité, surtout dans le monde du vin.


Grâce à cette table de conversion dynamique, le 15/20 devenu 90/100 pourra être compris et relayé partout dans le monde, ce qui renforcera le rayonnement de La RVF.

Dieser Wandel eröffnet neue Horizonte. Denn die Globalisierung ist keine Fata Morgana mehr, sondern Realität, insbesondere in der Welt des Weins.

Dank dieser dynamischen Umrechnungstabelle kann die 15/20, aus der 90/100 geworden ist, in der ganzen Welt verstanden und weitergegeben werden, was den Einfluss der RVF stärken wird.

Die Begründung für die konkrete Ausgestaltung des Umrechnungsverfahrens von Bewertungen im 20-Punkte- auf das 100-Punkte-System mutet dann doch etwas willkürlich an.

Et c’est là que tout se grippe. Si l’on se contente de multiplier basiquement un 15/20 par 5 pour obtenir une note sur 100, le réflexe de neuf personnes sur dix, on obtient 75/100. Nous y voilà : 15/20 est une bonne note en France, mais 75/100 ne vaut rien aux États-Unis. La table de conversion ci-dessous règle ce problème.

Und dann kommt alles zusammen. Wenn wir einfach ein 15/20 mit 5 multiplizieren, um eine Punktzahl von 100 zu erhalten, was von neun von zehn Personen tun würden, erhalten wir 75/100. Da haben wir es: 15/20 ist ein gutes Ergebnis in Frankreich, aber 75/100 ist in den Vereinigten Staaten nichts wert. Die nachstehende Umrechnungstabelle löst dieses Problem.

Ob neun von zehn Personen dieses simple Multiplikationsverfahren anwenden würden, scheint mir dann doch etwas fragwürdig zu sein. Keines der in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Beispiele käme auch nur annähernd in die Nähe des von der Revue behaupteten Wertes von 75 Punkten. Ein mit 15/20 Punkten bewerteter Wein gilt oder galt bei allen unten genannten Vertretern der internationalen Weinkritik als guter bis sehr guter Wein. Bei einer sich daran orientierenden Umrechnung in das 100-Punkte-System entspäche das einem Wein mit einer Bewertung von ca. 85, keineswegs 90 Punkten. 85 Punkte galten z.B. in Robert Parkers Bewertungssystem als Grenzlinie zwischen einem guten bis sehr guten Wein.

Der Vergleich

Das von der Revue vorgestellte Konvertierungsschema (s. unten die in roter Schrift hervorgehobene Spalte), das nahezu identisch ist mit dem von Chris Kissack (thewinedoctor.com), weist gravierende Unterschiede zu den übrigen Systemen auf. 1,0 Punkte im 100-Punkte-System entsprechen

  • 0,5 Punkte im ursprünglichen 20-Punkte RVF-System (ebenso bei Kissack),
  • zwischen 0,25 und 0,5 Punkten bei Decanter bzw. Quarin,
  • etwas über 0,3 Punkte bei WeinWisser (BDX-Kompass: 0,33).

Legt man auf dieser Grundlage den unteren Grenzwert bei jeweils 10 Punkten fest, so entspräche dies 80 Punkte auf der 100-Punkte-Skala für RVF und Kissack, etwa 71 Punkte bei Quarin, 70 Punkte bei WeinWisser (ebenso BDX-Kompass) und etwa 66 Punkte bei Decanter.

Konvertierungstabelle

Mit dieser Verfahrensweise liegen Bewertungen der Revue im Bereich von 15 bzw. 16 Punkten nach der Umrechnung in das 100-Punkte-System z.T. erheblich über denen der anderen genannten Quellen, wie die nachstehende Vergleichstabelle zeigt:

Vergleichstabelle

Die Auswirkungen

In Zukunft dürften damit die Mehrzahl der Bewertungen in der Revue du Vin bei 90 Punkten und mehr liegen. Der Vergleich der Premiers Grands Crus und Grands Crus Classés aus Saint-Émilion (s. die Übersicht über die Klassifikationen von Saint-Émilion ) aus den Jahrgängen 2014 und 2011 in der Nr. 645, S. 132-143 (11/2020) bestätigt diese Aussage. 64 von insgesamt 68 verkosteten Weinen wurden mit 90 Punkten und besser bewertet. Für beide Jahrgänge liegt der Anteil der Weine mit Bewertungen von 90 Punkten und mehr damit bei jeweils 94 Prozent.

Auch wenn es sich bei den Premiers Crus und den Grands Crus Classés um die Spitze der Weine aus Saint-Émilion handelt, ist Skepsis an der Belastbarkeit des o.g. Ergebnisses angebracht, zumal es sich bei 2014 und besonders 2011 – nach allgemeiner Einschätzung – um schwächere Jahrgänge handelt.

Zieht man hierzu zum Vergleich die Bewertungen der internationalen Weinkritik heran (s. Schaubild – blaue Kurve), zeigt sich überdeutlich die Diskrepanz zu den aktuellen Bewertungen der Revue nach ihrer Umstellung auf das 100-Punkte-System.(7) Mit 45,42 Prozent (2011) und 54,34 Prozent (2014) liegt der Anteil der mit 90 Punkten und mehr bewerteten Weine erheblich unter den Ergebnissen der Revue.

Es bedarf nicht notwendigerweise eines »hochgetunten« Bewertungssystems, um hohe und höchste Bewertungen zu generieren. Grundsätzlich ist festzustellen, dass innerhalb der bestehenden Bewertungssysteme in den letzten 20 Jahren eine zunehmend höhere Bewertung auch für andere Gruppen – wie den Grands Crus Classés aus dem Médoc (s. Schaubild – rote Kurve) – bzw. die Gesamtheit der Weine (s. Schaubild – orangefarbige Kurve) im Bordelais festzustellen ist.

Ob das tatsächlich mit immer besser werdenden Weinen zusammenhängt, scheint mir dann doch zweifelhaft zu sein.

Hinweise

(1) Decanter: Bis Mitte 2007 wurden die Weine im 5-Sterne-System bewertet, anschließend durch ein 20-Punkte-Schema ersetzt, das seit 2012 durch in Klammern gesetzte Bewertungen im 100-Punkte-System ergänzt wurde. Mit der Ausgabe 2/2016 erfolgte der vollständige Wechsel auf das 100-Punkte-System.

(2) Kissack: Bis 2016 erfolgten die Bewertungen im 20-Punkte-System. 2016 und 2017 bewertete Chris Kissack parallel im 20-Punkte- und 100-Punkte-System, ab 2018 ausschließlich im 100-Punkte-System.

(3) RVF – Revue de Vin de France: Ab 1990 wurde in einem 10-Punkte-System bewertet. 1995 wechselte das Magazin auf ein Sterne-System (1 bis 5 Sterne). Mitte 2006 erfolgte mit dem 20-Punkte-System eine weitere Änderung des Bewertungssystems. In der November-Ausgabe 2020 (Nr. 645) wurde die Umstellung auf das 100-Punkte-System bekanntgegeben.

(4) Jean-Marc Quarin: bewertet parallel auf einer 20- und 100-Punkte-Skala.

(5) WW – WeinWisser: Die Bewertungen erfolgen nach einem 20-Punkte-System. Ab der Ausgabe 10/2016 wird

eine Tabelle angeboten, in der die Bedeutung der WeinWisser-Punkte in anderen »Währungen« (gemeint sind das 100-Punkte und das Sterne-System) übersetzt wird.

(6) In der Spalte »BDX-Kompass« werden die Werte für das 20-Punkte-System angezeigt, die sich aus der vom Bordeaux-Kompass benutzten Umrechnungsformel ergeben.

Vgl. auch den Beitrag: Die Quellen im Überblick

(7) Hierzu wurde jeweils der Prozentanteil der mit 90 Punkten und mehr bewerteten Premiers Grands Crus und Grands Crus Classés in den betreffenden Jahrgängen seit 2000 berechnet. Grundlage hierfür waren insgesamt über 36.000 Bewertungen dieser besonderen Gruppe von offiziell klassifizierten Châteaux in Saint-Émilion in der Bordeaux-Kompass-Datenbank. Für die Jahrgänge 2011 und 2014 wurden dabei jeweils 1986 bzw. 1901 Bewertungen berücksichtigt.

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